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Gehaltsabrechnung per eMail

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Mit der Einstellung in ein elektronisches Postfach erfüllt der Arbeitgeber die tarifvertragliche Pflicht zur Abrechnung des Arbeitsentgeltes nur, wenn der Arbeitnehmer sich zuvor mit der elektronischen Übermittlung ausdrücklich oder konkludent einverstanden erklärt hat.

Eine in Textform (§ 126b BGB) in ein personifiziertes elektronisches Postfach eingestellte Lohnabrechnung erfüllt einen tariflichen Abrechnungsanspruch nicht bereits durch die bloße Bereitstellung zum anschließenden Abruf durch den Arbeitnehmer. Es gelten die für den Zugang einer Willenserklärung nach § 130 BGB bestehenden Erfordernisse entsprechend. Der Arbeitgeber muss die Erklärung so auf den Weg zu dem Arbeitnehmer bringen, dass sie in dessen Machtbereich gelangt und er unter gewöhnlichen Umständen von der Erklärung Kenntnis nehmen kann. Eine auf elektronischem Weg übermittelte Entgeltabrechnung geht dem Arbeitnehmer nur zu, wenn er sich zuvor ausdrücklich oder konkludent mit der elektronischen Übermittlung derartiger Erklärungen durch den Arbeitgeber einverstanden erklärt hat.

In den hier streitgegenständlichen Monaten hat die Arbeitnehmerin den in den einzelnen Lohnabrechnungen ausgewiesenen Netto-Lohnanspruch gemäß § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien erworben. Bis auf einen Teilbetrag von 0, 70 EUR je Monat ist die jeweilige Lohnforderungen der Arbeitnehmerin durch Zahlung erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

Hinsichtlich dieses verbleibenden Teils des Lohnanspruches ist Erfüllung nicht eingetreten. Die erklärte Aufrechnung konnte diese Rechtsfolge nicht bewirken. Der zur Aufrechnung gestellte Anspruch der Arbeitgeberin gegenüber der Arbeitnehmerin auf Erstattung des Briefportos für die Übersendung der Lohnabrechnung besteht nicht.

Eine vertragliche Grundlage für die Erstattung der aufgewendeten Portokosten findet sich nicht.

Der seitens der Arbeitgeberin angeführte Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 Abs. 1 BGB) ist nicht zustande gekommen. Entsprechende Willenserklärungen (Angebot und Annahme) liegen nicht vor. Einen “Auftrag”, die monatliche Lohnabrechnung per Post zu übersenden, hat die Arbeitnehmerin zu keiner Zeit, weder ausdrücklich noch konkludent, der Arbeitgeberin erteilt. Umgekehrt kommt der bloßen Entgegennahme der von der Arbeitgeberin ausgehenden Übersendung der Lohnabrechnungen per Post keinerlei rechtsgeschäftlicher Erklärungswert im Hinblick auf die Kostentragung der Übersendung zu.

Auch aus dem die Parteien verbindenden Arbeitsvertrag folgt eine entsprechende Nebenpflicht zur Tragung der Portokosten der per Post übersandten Lohnabrechnung für den Arbeitnehmer nicht.

Eine gesetzliche Anspruchsgrundlage besteht ebenfalls nicht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Geschäftsführung ohne Auftrag sind nicht erfüllt.

Grundsätzlich kann zwar nach § 683 BGB derjenige, der ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne dass dafür ein Auftrag oder eine sonstige Berechtigung gegeben ist (§ 677 BGB), die Aufwendungen ersetzt verlangen, die er im Interesse des anderen zur Durchführung der Geschäftsführung für erforderlich halten durfte.

Diese Voraussetzungen könnten vorliegen, wenn die Arbeitgeberin ihre Verpflichtung zur Erteilung einer monatlichen Lohnabrechnung bereits durch die Einstellung in das eingerichtete elektronische Fach erfüllt hätte. Denn dann könnte die Übersendung einer zusätzlichen Abrechnung in Papierform allein im Interesse der Arbeitnehmerin liegen. Weil sie die technischen Voraussetzungen für den elektronischen Aufruf nicht vorhält, würde auf diesem Weg das Interesse der Arbeitnehmerin, die Zusammensetzung des monatlichen Entgelts nachzuvollziehen und zu prüfen, befriedigt.

Indes fehlt es hier bereits an den tatbestandlichen Erfordernissen eines solchen fremdnützigen Tätigwerdens. Mit der Einstellung in das elektronische Fach erfüllt die Arbeitgeberin nämlich ihre Pflicht zur Erteilung einer Abrechnung nicht. Die Übersendung der monatlichen Lohnabrechnung in Papierform bleibt ein zum Rechtskreis der Arbeitgeberin zugehöriges Geschäft. Entsprechend ist sie auch zur Tragung der Kosten verpflichtet.

Die Pflicht zur Lohnabrechnung ergibt sich aus § 9 RTV. Danach erfolgt die Lohnabrechnung monatlich, spätestens bis zum 15. des nächsten Monats. Weiter heißt es in Ziff.1 S. 1 der tariflichen Vorschrift:

“Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem/der Beschäftigten bei jeder Lohnabrechnung eine genaue schriftliche Abrechnung über Gesamtlohn, Stundenlohn, Zulagen und Abzüge zu geben.”

Nicht geregelt ist, wie die Abrechnungspflicht zu erfüllen ist. Die Auffassung der Arbeitnehmerin, der Tarifvertrag verlange die Übergabe einer Abrechnung in Papierform, findet in dem Wortlaut der Vorschrift keine Stütze. Denn danach hat der Arbeitgeber “bei” jeder Lohnabrechnung eine genaue Abrechnung der Lohnbestandteile zu geben. Die Tarifvertragsparteien benutzen das Wort “geben” nicht im Sinne von “übergeben” – wie die Arbeitnehmerin meint, sondern im Sinne von “Auskunft geben”. Auch aus dem Erfordernis, die Abrechnung müsse “schriftlich” sein, ergeben sich keine weiteren Anforderungen. Unschwer ist damit nicht Schriftform im Sinne von § 126 BGB gemeint. Schriftlich meint letztlich nur verkörpert im Gegensatz zur bloßen mündlichen Erläuterung.

Zurückgegriffen werden kann auf die gesetzliche Vorschrift des § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO. Danach hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Gesetzlich geregelt ist damit, in welcher Form der Arbeitgeber die Lohnabrechnung erteilen muss, um seine Abrechnungspflicht zu erfüllen. Welche Erfordernisse bestehen, um der geforderten Textform zu entsprechen, ergibt sich aus § 126 b BGB. Danach muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Ein dauerhafter Datenträger ist nach § 126 b Satz 2 BGB jedes Medium, “das es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraum zugänglich ist und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben”.

Letztlich offen bleiben kann – wofür allerdings sehr viel spricht – ob die Handhabung der Arbeitgeberin mit dem personifizierten Zugang und der eingerichteten “Paperless Online Postbox” die genannten gesetzlichen Anforderungen erfüllt.

Denn es fehlt bereits an dem erforderlichen Einverständnis der Arbeitnehmerin mit der Übersendung der Lohnabrechnung in elektronischer Form.

Das Erteilen einer Erklärung in Textform meint nicht die bloße Bereitstellung zum Abruf durch ein aktives Tun des Erklärungsempfängers, sondern die Aufgabe der jeweiligen Erklärung zur Übermittlung an deren Empfänger. Entsprechend müssen die für den Zugang einer Willenserklärung geltenden Erfordernisse des § 130 BGB erfüllt sein. Zwar handelt es sich bei der Lohnabrechnung um eine Wissenserklärung des Arbeitgebers. Auf diese sind jedoch die Regelungen über die Abgabe und Zugang von Willenserklärungen entsprechend anzuwenden. Die in Textform erfolgte Entgeltabrechnung muss entsprechend den Anforderungen für den Zugang einer Willenserklärung deshalb durch den Arbeitgeber so auf den Weg zum Arbeitnehmer gebracht werden, dass sie in dessen Machtbereich gelangt und der Arbeitnehmer sodann unter gewöhnlichen Umständen von der Erklärung Kenntnis nehmen kann. Die in elektronischer Form übermittelte Erklärung geht dem Empfänger jedoch nur dann zu, wenn der Empfänger zuvor ausdrücklich oder konkludent zu erkennen gegeben hat, er sei mit der telekommunikativen Übermittlung derartiger Erklärungen einverstanden.

Daran fehlt es hier. Die Arbeitnehmerin hat weder ausdrücklich noch konkludent ein solches Einverständnis erklärt. Auch im Zuge der Erfüllung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung ist die Arbeitnehmerin nicht von der Arbeitgeberin mit den technischen Möglichkeiten zum Empfang der elektronischen Lohnabrechnung ausgestattet worden. Die Arbeitgeberin verlangt den Zugriff mit privat vorgehaltener Ausstattung. Offen bleiben kann deshalb, ob in der Nutzung arbeitgeberseitig zur Verfügung gestellter Arbeitsmittel das Einverständnis mit entsprechender elektronischer Übermittlung liegen könnte.

Stellt nach alledem die Zurverfügungstellung der Lohnabrechnung in elektronischer Form, wie sie die Arbeitgeberin praktiziert, eine Erfüllung der gegenüber der Arbeitnehmerin bestehenden Pflicht zur Erteilung einer Lohnabrechnung nicht dar, tritt die Erfüllung erst mit der Erteilung der Abrechnung in Papierform ein. Offen bleiben kann, wie die Übergabe zu bewirken ist. Denn wenn sich die Arbeitgeberin dafür entscheidet, ihre Abrechnungspflicht durch Übersendung per Post an den Empfänger zu erfüllen, so hat sie auch die damit verbundenen Kosten zu tragen. Eine Abwälzung dieser Kosten auf den Arbeitnehmer kommt dann nicht in Betracht.

Offen bleiben kann letztlich auch die Frage, ob eine Aufrechnung mit einem Aufwendungsersatzanspruch, der aus einer ausschließlich im Interesse des Aufrechnungsgegners liegenden Geschäftsführung erwachsen ist, bereits am Aufrechnungsverbot der §§ 394 BGB, 850 c ZPO scheitert.

Arbeitsgericht Oldenburg, Urteil vom 2. November 2016 – 3 Ca 223/16


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